Pegaso Z-102
Der geflügelte Spanier
Eine Begegnung zwischen diesem seltenen, erhaben rassigen Pegaso Z-102 und seinem Sammlerbesitzer, einem leidenschaftlichen Geschichtenerzähler. Beide haben ihre iberische Herkunft gemein.
Beginnen wir mit einem kleinen historischen Rückblick. Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs musste das Land, das sich in einem chaotischen Zustand befand, wieder aufgebaut werden. Dazu benötigte Spanien dringend Transportmittel, also Lastwagen. Nach einem Abkommen zwischen dem Franco-Regime und der Hispano-Gruppe wurde 1946 die nationale Lkw-Gesellschaft „ENASA“ (Empresa Nacional de Autocamiones S.A.) gegründet und in den Fabrikhallen des Automobilherstellers Hispano-Suiza – einem Unternehmen, dessen Gründer ein Schweizer war – in Barcelona untergebracht. Dieses neue Unternehmen beschloss, seinen Nutzfahrzeugen den Namen Pegaso zu geben. Und vor dem Hintergrund eines geschundenen Landes mit katastrophalen Strassenverhältnissen kam eine ikonoklastische Idee auf und nahm schliesslich Gestalt an. Sie stammte vom Ingenieur Wilfredo Ricart. Der Sohn eines Seemanns konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine erfolgreiche Karriere in der Automobilbranche zurückblicken. Nachdem er Autos in Eigenregie hergestellt hatte, arbeitete er eine Zeit lang in Italien, wo er bei der Entwicklung der 512er-Einsitzer für Alfa Romeo auf Enzo Ferrari traf. Nach seiner Rückkehr nach Spanien trat er in den Dienst von ENASA und überzeugte seine Vorgesetzten von der Sinnhaftigkeit der Gründung einer Automobilsparte. Im Land herrschte ein grosser Mangel an kleinen Geschäftsmodellen, aber Ricart schwebten andere Ziele vor. Zusammen mit einigen ausgezeichneten Ingenieuren begann er mit der Entwicklung von ultrasportlichen Autos, von denen das erste 1951 vorgestellt wurde. Das war die Geburtsstunde des Pegaso Z-102.
... damals schnellsten Personenwagen der Welt – nicht mehr und nicht weniger ...
Die von Ricart entwickelten technischen Lösungen brachten das Auto von Anfang an an die Spitze der damaligen Weltproduktion. Der Pegaso basierte auf einer halbtragenden Struktur, die für extreme Steifigkeit sorgte, und war mit einem neuen Motor aus Leichtmetall mit einzigartiger mechanischer Raffinesse ausgestattet: 4 obenliegende Nockenwellen, desmodromische Ventilsteuerung und 5-Gang-Getriebe. Das Modell wurde in drei Varianten angeboten: 2,5 Liter, 2,8 Liter und 3,2 Liter. Ricart überarbeitete sein Konzept permanent, und neue Verbesserungen wurden schnell umgesetzt. Das Auto konnte dann auf Wunsch mit einem Kompressor ausgestattet werden, der die Leistung auf bis zu 285 PS steigerte, was eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 260 km/h ermöglichte. Damit avancierte er zum damals schnellsten Personenwagen der Welt – nicht mehr und nicht weniger.
Neben den Werksmodellen, die als Coupé oder Cabriolet erhältlich waren, wurden auch externe Karosseriebauer inspiriert, die den Z-102 mehr oder weniger erfolgreich ausstatteten, darunter Saoutchik, Serra oder Touring. Letzterer signierte das Exemplar, das wir Ihnen heute vorstellen, eines der äusserst seltenen Z-102b-Modelle, das mit der stärksten Version des V8-Motors mit 3,2 Litern Hubraum ausgestattet war und von Touring karossiert wurde.
Sein heutiger Besitzer, Antonio Garzon, entdeckte die Marke bei einem Besuch des Autosalons Rétromobile 2015, der in jenem Jahr der Marke Pegaso eine grosse Retrospektive mit rund 15 Exemplaren widmete. Er erinnerte sich an die Reisen, die er als Kind mit seinen Eltern nach Spanien unternommen hatte, wo es noch üblich war, alte Lkw vom Typ Pegaso auf den Strassen zu sehen.
Es war Liebe auf den ersten Blick! Da er sich in das Modell verliebt hatte, machte er sich auf die Suche nach einem Pegaso, der zum Verkauf steht, jedoch ohne allzu grosse Hoffnung. Zu seiner Überraschung entdeckte er einen Pegaso bei einer berühmten spanischen Kaufmannsfamilie, den Puechs. Nach vielen Jahren in Asien war das Auto in sein Heimatland Spanien zurückgekehrt. In der Zwischenzeit war es Thema mehrerer Zeitungsartikel gewesen und hatte am renommierten Concours d‘Élégance in Villa d‘Este teilgenommen. Ohne zu zögern, erwirbt unser Sammler es.
„Ich bin kein Besitzmensch, wir sind alle nur auf der Durchreise auf diesem Planeten. Letztendlich sind wir nur die Hüter von Gegenständen. Man geht mit nichts Materiellem, sondern nur mit den emotionalen Momenten, den Begegnungen und dem Austausch, den man erleben durfte“, meint Antonio Garzon.
Ausgehend von seinem Prinzip, dass er kein Interesse daran hat, schöne Dinge zu besitzen, um sie allein in einem Keller eingesperrt zu bewundern, beschliesst er, dieses Auto möglichst vielen Menschen zu zeigen. Er lässt seinen Worten Taten folgen: Noch bevor er sein Auto in die Schweiz zurückbrachte, sah er in den ersten Momenten, in denen er es besass, wie er am Concours d‘Élégance in Madrid teilnahm – und sein Pegaso gewann!
Seitdem konnten Fans Antonio Garzons Pegaso Z-102 bei vielen anderen Gelegenheiten bewundern, unter anderem bei der ersten Ausgabe des Wettbewerbs in Megève, den er ebenfalls gewann. Und es wird nicht das letzte Mal sein, dass man den schönen Spanier bewundern kann, denn die Planung für zukünftige Veranstaltungen ist bereits in vollem Gange.
Aber nehmen wir den Faden der Geschichte der Marke wieder auf. Als Nachfolger des Z-102B erschien 1955 der Z-103, doch das Experiment endete bereits zwei Jahre später. Da der Pegaso insgesamt zu teuer war und im falschen Land entwickelt wurde, wurde er insgesamt nur 84-mal gebaut. Heute sollen noch etwa 60 Exemplare existieren. Von diesen 60 Exemplaren sollen nur noch drei oder vier Modelle wie der Z-102b übrig sein, darunter auch dieses Exemplar, das mit dem Baujahr 1957 zu den letzten produzierten Fahrzeugen gehört. Zweifellos „The car for the connoisseur“, wie es früher in der Pegaso-Werbung erklärt wurde.
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