PORSCHE 911 VON 1968
PROVENZALISCHES LICHT
Unser Protagonist wurde 1968 geboren und kommt aus Stuttgart. Seine 110 PS aus dem Sechs-Zylinder-Motor müssen weder überschüssiges Blech noch Batterien oder Gurte bewegen. Nur seine leichten 1.080 kg. Ein richtiges Spielzeug.
Die ersten 911er hatten etwas unbestreitbar Mythisches, ja sogar Mystisches an sich. Mit einem einzigen harmoni- schen Bleistiftstrich, wie ein hübsches schwarzes Kleid, lässt sich die gesamte Form dieses Autos skizzieren.
Diese Form, die Ende der 1960er Jahre in ihrem reinsten Zustand war, ist seitdem fast unverändert geblieben und höchstens angepasst worden. Ich habe bereits mehrfach über die Linienführung der 911er gesprochen, vor allem aus der Sicht schräg von hinten.
Für mich ist es der schönste automobile Hüftschwung, der bis heute exis- tiert. Vom Dach bis zum Auspuff ist diese Kurve zu einer Ikone der deutschen, ja sogar der weltweiten Automobil- industrie geworden.
Mit einem einzigen harmoni- schen Bleistiftstrich, wie ein hübsches schwarzes Kleid, lässt sich die gesamte Form dieses Autos skizzieren
Der Grund, warum wir mit diesem Auto ca. 1.000 km hin- und zurückgefahren sind, war folgender: Wir wollten für die neue Sommerkollektion unserer Marke 8JS ein Shooting im Süden machen.
Tatsächlich funktioniert das Gespann „Porsche und 8JS“ immer noch hervorragend, und unsere Freunde vom Porsche-Zentrum Genf vertrauten uns für dieses Abenteuer eines ihrer Babys an.Ich zitiere: „Du kannst die ZweiLiter-Maschine nehmen, aber du begibst dich damit auf ein Abenteuer. Keine Sorge, sie hat Porsche Assistance.“
Da waren wir ja beruhigt. Dieses Exemplar, das am 1. Mai 1968 das Porsche-Werke verliess, kam 2017 nach Genf, um in neuem Glanz zu erstrahlen. Aus Zeitmangel verbrachte es zunächst viele Wochen im Stand und wartete auf seine Inspektion. Urteil: Bis auf Weiteres ist keine Generalüberholung erforderlich. Die Ausfahrt ist genehmigt! Nach einem kurzen Checkup war das Auto bereit, sich der Herausforderung der Tour de Suisse im vergangenen Jahr zu stellen. Black Betty – so habe ich den Porsche genannt – fährt, und zwar perfekt. Ein Beweis dafür, dass der Stuttgarter Autobauer schon vor langer Zeit Autos geschaffen hat, die für das Kilometer-Fressen geschaffen sind. Kunstwerke, die nun vom Team von Porsche Genf liebevoll gepflegt werden.
Einsteigen bitte! Der Fotograf und ich begaben uns also auf eine Reise in einem Auto aus den Sechzigern, das naurgemäss nicht mit Sicherheitsgurten ausgestattet ist.
Die erste, harte Feststellung : Man hat sich sehr an den Komfort unserer modernen Limousinen gewöhnt. Strassen, Mautstellen und vor allem andere Autofahrer schienen plötzlich unverhältnismässig, gewalttätig und leichtsinnig zu sein! Und eigentlich auch verblüfft, als sie uns vorbeifahren sahen.
Der waghalsige Geist des damaligen 911, der im Vergleich zu seinen heutigen Cousins fast hochgelegt schien, sorgte dafür, dass er überall bequem und sehr komfortabel durch kam. Ein echter Alleskönner! Gut, mit einem Zwei-Liter-Motor aus dem Jahr 1968 spürt man keine Beschleunigung im Bauch, aber Spass hat man, die Freude am echten Fahren ist zurück! Es geht darum, den Zähler im Auge zu behalten, Pannen vorauszusehen, die Mechanik zu schonen und vor allem alle 15 Minuten zu sagen: „Stell dir vor, sie ist 54 Jahre alt und läuft wie eine Schweizer Uhr!“
Trotz meiner Befürchtungen, dass es beim Anfahren zu unschönen Szenen und ungewollten Pannen kommen könnte, hat uns die alte Dame Black Betty zu meiner Erleichterung eine reibungslose Reise ermöglicht. Mit ihren 110 PS erweist sie sich als perfekt fahrbarer Untersatz. Die Freude war gross!
Wir kamen gut in der Provence an, wo das charakteristische weiche Licht die Silhouette des exquisitesten aller 911er zur Gel- tung bringt. Mitten im Februar bot uns Les Baux-de-Provence eine einzigartige Kulisse für unsere Aufnahmen an. Neben dem Auto hatten wir eine ganze Kollektion an Kleidungsstücken, die wir fotografieren mussten. In zwei Tagen besuchten wir dazu vier verschiedene Orte. Stets mit dem gleichen Wunsch: Mit unserer Black Betty immer und immer wieder durch die Stras- sen zu fahren. Lust auf Abenteuer!
Das Fahrgefühl, das diese Art von Vintage-Fahrzeugen vermittelt, ist unvergleichlich und wird in Zukunft sicher nicht zurückkommen. Mein verträumter Geist brach aus; die Ideen strömten mit tausendfacher Geschwindigkeit. Ich dachte an die Strassen von früher und an die Menschen, die sie befahren haben. An den Soundtrack aus dem Autoradio, an die extravaganten Outfits, an den Schmuck, an die Acces- soires, an die Gespräche. Man wähnt sich mit einer Strassen- karte auf den Knien, angehalten an einer Kreuzung, ganz leicht im Stolz verletzt, wenn man eine falsche Strasse nahm. Und man erinnert sich an all die Geschichten, die uns mit Autos ver- binden. Und uns hoffentlich helfen, diesen damit verbundenen Gemütszustand beizubehalten. Denn darum geht es.
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